Ein Ort zum Stöbern und Austauschen

Der Eröffnungstag der Girella Brocki in Zernez zeigte einmal mehr, dass ein Brockenhaus auch Begegnungsort sein kann. Zwischen apart dekorierten Tischen, neben Secondhand-Kleidern oder der Ausstellung von Geschirr und Gläsern fanden sie statt, die Gespräche über das Ergehen, die fernen Verwandten oder den Sinn, den es macht, gebrauchte Waren nicht weg zu werfen, sondern mit dem Spenden aktiv zur Schaffung von Arbeitsplätzen für Menschen in schwierigen Lebenssituationen beizutragen. Das Brocki-Team und freiwillige Helfende schauen mit Freude auf eine gelungene Eröffnung bei Kaffe und hausgemachten Cupcakes zurück.

Es gibt nichts, was es nicht gibt

Samstagmorgen: nachdem der Laden gestaubsaugt und feucht aufgenommen ist beziehen wir das Doppelbett hinten in der Ausstellung neu. Duvet- und Kissenanzüge sind frisch gewaschen, Preise angeschrieben. Sieht richtig dekorativ aus. Kurz nach dem Mittag schmökern viele Kunden im Laden, eine Dame kauft einen Tisch und Stühle, die wir in der Folge in die Garage hinaustragen. Beide Mitarbeiterinnen sind also für einen Moment nicht im Geschäft. Nach dem Einkassieren und nachdem wir den leer gewordenen Platz mit neuen Möbeln dekoriert haben, mache ich einen Rundgang durch den Laden. Ich traue meinen Augen kaum: die Bettwäsche auf dem Bett fehlt - bezahlt hat sie niemand. 

Da fehlen die Worte. Groll kommt auf. Was sind das für Menschen, die uns beklauen? Bis zum Feierabend ist der Groll gewichen. Hatte ich vorher innerlich den Wunsch geäussert, dass die Diebe schlecht träumen soll in der Bettwäsche, denke ich nun, dass sie es wahrscheinlich nötig hatten, weil die 28.00 Franken ihr Budget gesprengt hätten. Oder dass sie vielleicht krank sind und der Nervenkitzel des nicht erwischt Werdens ihnen gut getan hat.

Niederschreiben, dass solche Dinge in der Brocki passieren will ich es aber trotzdem und sei es nur, um aufzuzeigen, dass es nichts gibt, was es nicht gibt.

Filmpremière mit Fondue-Ausklang

Im Juni 2018 hatte Menga Huonder-Jenny das Girella Brocki-Team zu einer Hausräumung in Soglio begleitet. Ihr Werk, das einen interessanten und raffinierten Einblick in das Secondhand-Gewerbe im Kanton Graubünden gibt, wurde am Freitag, 18. Januar 2019 in Chur erstmals der Öffentlichkeit vorgeführt. Als Gäste eingeladen war das gesamte Brocki-Team. Als Abwechslung vom Alltag genossen sowohl die Mitarbeiter, wie die Klienten die Fahrt nach Chur, das geehrt werden als Protagonist sowie das anschliessende Fondue-Essen in "Benis Backroad Beiz" in Sils i.D.. Tüpfelchen auf dem i: die Fahrt bei Fast-Vollmond zurück über den Julierpass.

So unterschiedlich wie die Artikel, so unterschiedlich die Kunden...

Die Kunden waren bereits über die letzten Feiertage da, hatten damals sehr viele Möbel für ein Bauernhaus im Unterland gekauft und extra transportieren lassen. Stundenlang halten sie sich im Laden auf: gucken, wählen aus, diskutieren, wägen ab und reservieren. Fast scheint es, als würden sie mit ihrer Begeisterung dem Verkaufsteam die Exklusivität und das Spezielle des aktuellen Warenangebotes neu aufzeigen. Sie leben im Ausland, geniessen die Feiertage im Engadin.

Sie schaut jede Woche einmal rein. Immer am gleichen Tag. Ruhig, still, freundlich dreht sie ihre Runde durch die Brocki. Immer findet sie etwas kleines, zum basteln, zum verschenken. Kürzlich kaufte sie einen alten ausgetragenen Pelzmantel. Einige Zeit später kam sie wieder und brachte Fell-Pompons mit. Selbst gebastelt, exklusiv und einzigartig.

Er schaut in unregelmässigen Abständen im Brocki rein. Immer auf der Suche nach Antiquitäten, Exklusivitäten und Schnäppchen... Er kennt sich aus, kann unglaublich gut feilschen und scheint sich ab jedem gesparten Franken diebisch zu freuen.

So unterschiedlich sind die Brocki-Kunden, so unterschiedlich wie die Artikel der Girella Brocki und genau das macht den Einkauf im grössten Gebrauchtwarenladen des Engadins so spannend: einmalige Leute und einmalige Ware.

 

Eine Frage der Perspektive

Vor gut zwei Jahren begann ein Mann bei uns zu arbeiten. Zwei bis drei Stunden an zwei Tagen pro Woche. Wortkarg, in sich gekehrt, abwartend und darauf bedacht, dass man sich in die Gestaltung seines Alltags nicht einmischte. Die Anzahl Stunden pro Woche konnte im Laufe der Monate aufgestockt werden. Das Vertrauen wuchs. Das Suchtverhalten geriet mehr und mehr in den Hintergrund. Der Mann, der bei seinem Wiedereinstieg in die Arbeitswelt mit der Neugestaltung des Tages herausgefordert war, spricht heute davon im nächsten Jahr eine Weiterbildung in Angriff nehmen zu wollen. Wenn das kein Perspektivenwechsel ist. Wir freuen uns sehr darüber.

Wenn die Räumung zum Drehort wird...

Kürzlich räumte das Team der Girella Brocki in Soglio ein Haus, dessen Geschichte eine Filmemacherin des rätoromanischen Fernsehens interessierte. Und so geschah es, dass wir unsere Arbeit - begleitet von Filmkamera und Mikrofon erledigten. Brocki-Arbeit, oft anstrengend, nicht selten schmutzig, dafür auch abwechslungsreich und spannend. Der 20-minütige Film wird im 2019 im RTR ausgestrahlt.